Neustadt am Main - Gestern und Heute
 
    
Im Jahre 1857
Bischof Georg von Stahl
  Pfarrer Georg Link: Bartstreit Teil 1 

Erstellt am 24.08.2005

 

 

Bericht über Pfarrer Link im Heimatland 11. Jahrgang (1952) Nr. 3.

Mitgeteilt von Pfarrer Karl Josef Barthels in Pflaumheim.

Tragikkomischer Streit um des Pfarrers Bart

Noch heute gehen in Neustadt am Main und Umgebung Geschichten um von dem seligen Pfarrer Georg Link, der daselbst über 50 Jahre nicht nur als gewissenhafter Seelsorger, sondern auch als fleißiger Klostergeschichtsschreiber sich ein unvergessenes Andenken erworben hat. Freilich hat sich schon die Legende seiner Person bemächtigt; es ist lange nicht alles wahr, was man von ihm erzählt. Noch wäre es Zeit, die Aussagen seiner ehemaligen Kapläne und Pfarrkinder zu registrieren, die wirklich Bescheid wissen, darunter die HH. Geistl. Rat Hoh in Neustadt und Pfarrer Riedmann in Wiesenfeld.

 

Über eine tragikkomische Episode seines langjährigen Priesterlebens geben uns die Lohrer katholischen Dekanatsakten Aufschluss: Es ist der Streit nicht um des Kaisers, sondern um des Pfarrers Bart. Pfarrer Link trug jahrzehntelang einen sog. „Krügerbart“, der ihm nach der im Pfarrarchiv Neustadt hinterlegten Fotografie ein besonders charakteristisches Aussehen verlieh. Nun gestattet das katholische Kirchenrecht nur den Angehörigen bestimmter Ordensgemeinschaften das Barttragen, anderen Geistlichen nur in Ausnahmefällen, so den Palästinapilgern und Halsleidenden.

 

Um 1862 nahm das Bischöfliche Ordinariat Würzburg (Bischof war Georg Anton von Stahl) Anstoß am Barte des Herrn Pfarrers von Neustadt und ließ denselben durch den zuständigen Dekan Herrn Pfarrer Schnorr in Urspringen auffordern, alsbald seinen Bart abnehmen zu lassen. Dazu konnte sich Pfarrer Link vor allem deswegen nicht verstehen, weil man die oberhirtliche Anordnung damit begründet hatte, die Leute nähmen Anstoß am Barte ihres Pfarrers. So ließ er sich alsbald in einem Circulare von seinen Pfarrkindern in Neustadt und Erlach unterschriftlich bestätigen, dass sie absolut nichts dagegen einzuwenden hätten, wenn ihr Pfarrer einen Bart trage und schickte die Liste zu seiner Rechtfertigung nach Würzburg ein.

 

Darauf erhielt er auf demselben Dienstwege ein zweites Monitorium, sich alsbald den Bart abnehmen zu lassen, auch wenn seine Pfarrkinder keinen Anstoß daran genommen hätten; man habe die Unterlagen dafür, dass die Leute in der weiteren Umgebung am Barte des Pfarrers von Neustadt Ärgernis nähmen. Pfarrer Link glaubte auch die Leute in der Nachbarschaft genügend zu kennen, um dieses Vorbringen zu bezweifeln. Jedenfalls ließ er sich abermals durch Circularschreiben in Rothenfels, Zimmern, Ansbach, Roden, Waldzell, Rodenbach und Pflochsbach unterschriftlich bestätigen, dass niemand an seinem Barte Anstoß nehme. Bei der damaligen Autorität der Geistlichen und erst recht eines Pfarrers Link erscheint es weiter nicht verwunderlich, dass niemand eine gegenteilige Auffassung zu vertreten wagte.

 

Aber nun wurde es Ernst. Nachdem Pfarrer Link das Ergebnis seiner Umfrage abermals an die oberhirtliche Stelle gemeldet hatte, erhielt er unter dem 9. Februar 1863 durch seinen vorgesetzten Dekan folgendes noch erhaltenes Schreiben des Bischöflichen Ordinariats zur Kenntnis gebracht:

 

„ Herr Dechantpfarrer J. Schnorr wird andurch beauftragt, den Pfarrer G. Link von Neustadt am Main ungesäumt vorzubescheiden und demselben als dritte und letzte canonische Monition zu eröffnen:

1.)     Dass er binnen 8 Tagen der wiederholten Auflage, den Bart sich abnehmen zu lassen, zu gehorchen habe, indem hier nicht das Urtheil einer Gemeindegliederanzahl, sondern das öffentliche Interesse den Ausschlag gebe.

2.)     Dass nach Abfluss dieses Termins im Falle fortgesetzter Widerspänstigkeit die suspensio ab ordine (!) erfolgen werde.

Der Dechantlichen Vollzugsanzeige mit Vorlage des Protocolls wird mit dem Terminablauf mit Bestimmtheit entgegengesehen.

Gez. Reissmann, Generalvicar.“

 

Pflichtgemäß wurde obiges Dekret am 19. Februar 1863 Herrn Pfarrer Link bekannt gemacht. Sei es nun, dass er die Suspensionsandrohung nicht ganz ernst nahm, sei es, dass er sich trotz alledem im Rechte glaubte, jedenfalls vertrat er noch einmal innerhalb der gestellten Frist in einer Eingabe an die oberhirtliche Stelle seinen gegenteiligen Standpunkt. Daraufhin wurde tatsächlich die Suspension wider ihn verfügt mit folgenden, noch erhaltenem Schreiben des Bischöflichen Ordinariats an Dechant Schnorr:

 

„Würzburg, den 11. März 1863 – Herr Dechant erhält die Auflage, ohne Verzögerung dem Pfarrer Link zu Neustadt am Main zu Protocoll zu eröffnen: - Nachdem ungeachtet der durch oberhirtliches Decret erlassenen und von dem Dekanat protocollarisch eröffneten dritten und letzten canonischen Monition Pfarrer Link auch ausweislich seiner Eingabe vom 25. Februar laufenden Jahres in beklagenswerter Widerspänstigkeit und Verweigerung des canonischen Gehorsams beharrt, so wird unter Hinweisung auf Sessio XIV. cap. 6 de reformatione des Concilium Tridentinum über denselben ie suspensio ab ordine et iurisdictione oberhirtlich verhängt, welche mit der Verkündung sogleich in Kraft tritt und bezüglich deren einer etwa eingewendeten Appellation lediglich eine aufschiebende, keineswegs aber eine aufhebende Wirkung rechtlich zukömmt. – Auf die Dauer der Suspension des Pfarrer Link werden dem Kaplan Rügemer die sämtlichen pfarrlichen Fakultäten übertragen und hat Herr Dechantpfarrer Schnorr sogleich zur Fernehaltung jeder Störung denselben entsprechend einzuweisen. – Das Eröffnungsprotocoll mit dekanatlichen Bericht ist in Bälde anher vorzuzeigen. – Gez. Reissmann, Generalvicar.“

 

Man atmet erleichtert auf, wenn man zum Schluß dieses oberhirtlichen Schreibens von der Hand des Dechantpfarrers Schnorr den tröstlichen Randvermerk liest: „Wurde nicht vollzogen“!

Offenbar ließ es Pfarrer Link doch nicht auf das Letzte ankommen. Die Suspension ist schwerste canonische Strafe, die einen katholischen Pfarrer treffen kann. Das war der Streit um den Bart denn doch nicht wert. „Der Klügere gibt nach“, wird er gedacht haben und opferte seine Manneszier dem Schermesser des Dorfbabiers. Möge ihm der wenigsten gnädig gewesen sein!

 

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