Neustadt am Main - Gestern und Heute
 
    
Bild Martina Schneider
Genau aufgepasst: Bürger aus Neustadt und Erlach schauten am Donnerstag in den Räumen der Glockengießerei Perner in Passau zu, wie die neue Neustädter Friedensglocke gegossen wurde.
   

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  Die neue Neustädter Friedensglocke 

Erstellt am 07.08.2007.

Bericht von Martina Schneider, in Mainpost Lohr 07.08.2007

 

 

Nach fünf Minuten war alles vorbei

Fünf Wochen dauerten die Vorbereitungen und nach nur fünf Minuten war alles vorbei. Am vergangenen Donnerstagnachmittag, am 2.8.2007, wurde die Neustädter „Friedensglocke“ in der Glockengießerei Rudolf Perner in Passau gegossen und 53 interessierte aus Neustadt und Erlach schauten zu.

 

„Da sind ganz schön die Funken geflogen“, erzählt Martin Bils, mit zwölf Jahren einer der Jüngsten beim Glockenguss. Er sei ganz vorne gestanden, etwa eineinhalb Meter von der heißen Form entfernt, und habe alles sehr gut sehen können, sagte der Zwölfjährige, der die Technik der Glockengießerei nach eigenen Erzählungen bereits aus der „Sendung mit der Maus“ und „Galileo“ kannte. „Es ging sehr schnell, man hätte nicht gedacht, dass das fünf Zentner waren“, berichtet der Junge.

 

So viel wiegt nämlich die neue Neustädter Glocke, die vierte im Bunde, die nach ihrer Weihe am 30. September das Geläut der Pfarrkirche St. Michael und St. Gertraud im Nordturm verstärken wird. Sie hat einen Durchmesser von 76 Zentimetern und besteht aus Glockenbronze, einer Metalllegierung aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn. Zurzeit muss sie aber erst noch auskühlen, bevor der Glockengießermeister sie aus ihrer Form in den Räumen der einzigen bayerischen Glockengießerei herausholen wird.

 

Fast andächtig beschreibt Uwe Arnold die Stimmung, die in der großen Halle während des Gießvorgangs herrschte. „Wir haben gestaunt und auch geschwitzt und waren schon auch überrascht, dass es so schnell ging“, sagt der Neustädter Kirchenpfleger. Über eine Schiene lief das auf 1100 Grad erhitzte, flüssige Metall in die Form, die die Mitarbeiter der Firma Perner zuvor in wochenlanger Arbeit erstellt und im Boden versenkt hatten.

 

Den Grundstein dafür legt der Chef des Hauses Perner selbst, denn er entwirft aus Holz die Schablone für die zukünftige Glocke. „Diese Schablone bestimmt den Ton der Glocke durch ihre Form“, erzählt Arnold. Der Ton entstehe weder durch das bestimmte Verhältnis von Größe zu Gewicht noch durch die Metalllegierung, sondern sei das „Glockengießer-Geheimnis“, das in der Firma Perner schon seit Generationen vom Vater auf den Sohn übertragen werde. „Unser Ton cis wurde auf die Schablone übertragen, wie, das bleibt geheim“, sagt Arnold.

 

Anhand der erstellten Schablone mauern die Arbeiter einen so genannten Backsteinkern. Darauf tragen sie vier bis fünf Lehmschichten auf, mit denen sie die Glocke formen. Die Inschrift werde mit Wachs modelliert, berichtet Arnold. So verfuhren die Arbeiter auch mit der Schrift der Neustädter Glocke, die die Worte „Ich beklage Zerstörung, Unterdrückung und Hass und rufe zu Liebe, Versöhnung und Friede“ trägt.

 

Der fertige Glockenkern wird dann mit Rinderfett eingerieben und wiederum mit Lehm bedeckt, wobei in die Schicht dazwischen das flüssige Metall fließt, das der Glocke ihre endgültige Form gibt. Danach wird der Glockenkern „eingegraben“ in eine speziell für die Glocke ausgehobene Grube im Boden der Halle. „Diese Halle ist so groß wie die Neustädter Turnhalle“, erzählt Martin Bils. Sechs Glocken hätten in ihrem Boden Platz. „Vier waren schon drinnen, unsere war die fünfte“, weiß der Zwölfjährige.

 

Über einen kleinen Zugang fließt das flüssige Metall in die Glockenform. Danach wird diese von den Arbeitern mit Holzkohle abgedeckt, bevor sie die letzte Erdschicht aufbringen. „Die Holzkohle deshalb, damit das Metall nicht zu schnell auskühlt und die angesammelten Gase die Möglichkeit haben, zu entweichen“, hat Arnold in der Glockengießerei erfahren. Tradition beim Gießvorgang ist auch, dass immer ein Gebet gesprochen wird, berichtet er. Die Neustädter beteten das „Vater unser“ für ihre Glocke.

 

Rund 10 000 Euro kostet die neue Glocke, die mit ihrem Ton „cis“ ein vielfältiges Läuten zu unterschiedlichen liturgischen Anlässen des Kirchenjahres ermöglichen wird. Ihren Platz haben die Mitarbeiter der Firma Perner im Zuge der Sanierungsmaßnahmen am Glockenstuhl im April im Nordturm der Abteikirche bereits hergerichtet.

 

 

 

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