Erstellt am 08.05.2008, ergänzt am 1.11.2008
Das „Vater unser“ (Mt 6 ,9 – 13 und Lk 11, 2ff) und der Codex Argenteus
Das "Vater unser" ist zum Ersten mal im Matthäus-Evangelium in griechischer Srache aufgelistet. Das Matthäus-Evangelium, die zweite Jesus-Bibliografie, entstand um 80 nach unserer Zeitrechnung.
 Im Lukasevangelium (Lk 11, 2ff), entstanden um 90, finden wir die 2te Veröffentlichung des "Vater unser".
Anschließend das "Vater unser"
1. von Wulfila (* um 311, + 383) auf Gotisch von um 369, überliefert im Codex Argenteus. Die Wulfila-Bibel, die früheste Bibelübersetzung in eine germanische Sprache.
2. und aus der Lutherbibel von 1522/1545.
1. Atta unsar
2. Vater unser
---
1. Atta unsar thu is in himinam — weihnai namo thein — qimai thiudinassus theins
2. UNSER VATER IN DEM HIMEL — DEIN NAME WERDE GEHEILIGET — DEIN REICH KOME
---
1. wairthai wilja theins — swe in himina — jah ana airthai
2. DEIN WILLE GESCHEHE — AUFF ERDEN — WIE IM HIMEL
---
1. Hlaif unsarana thana sinteinan gif uns himma daga — Jah aflet uns thatei skulans sijaima
2. UNSER TEGLICH BROT GIB UNS HEUTE — UND VERGIB UNS UNSERE SCHULDE
---
1. Swa swe jah weis afletam thaim skulam unsaraim
2. WIE WIR UNSERN SCHÜLDIGERN VERGEBEN
---
1. Jah ni briggais uns in fraistubnjai — ak lausei uns af thamma ubilin
2. UND FÜRE UNS NICHT IN VERSUCHUNG — SONDERN ERLÖSE UNS VON DEM UBEL
---
1. Unte theina ist thiudangardi — jah mahts — jah wulthus — in aiwins amen
2. DENN DEIN IST DAS REICH — UND DIE KRAFT — UND DIE HERRLICHKEIT — IN EWIGKEIT AMEN
Das Vater unser nach der gotischen Bibelübersetzung des Wulfila, um 369
Atta unsar thu is in himinam, weihnai namo thein. qimai thiudinassus theins. wairthai wilja theins, swe in himina jah ana airthai. hlaif unsarana thana sinteinan gif uns himma daga. jah aflet uns thatei skulans sijaima, swa swe jah weis afletam thaim skulam unsaraim. jah ni briggais uns in fraistubnjai, ak lausei uns af thamma ubilin; unte theina ist thiudangardi jah mahts jah wulthus in aiwens. armen.
St.Galler Paternoster, alemannisch, um 780
Fater unseer, thû pist in himile, uuîhi namun dînan, qhueme rîhhi dîn, uuerde uuillo diin, sô in himile sôsa in erdu. prooth unseer emezzihic kip uns hiutu, oblâz uns sculdi unseero, sô uuir oblâzêm uns sculdikêm, enti ni unsih firleiti in khorunka, ûzzer lôsi unsih fona ubile.
Das Vater unser aus dem Tatian, ostfränkisch, um 825
Fater unser, thû bist in himile, sî giheilagôt thîn namo, queme thîn rîhhi, sî thîn uuillo, sô her in himile ist, sô sî her in erdu, unsar brôt tagalîhhaz gib uns hiutu, inti furlâz uns unsara sculdi, sô uuir furlâzemês unsarên sculdîgôn, inti ni gileitêst unsih in costunga, ûzouh arlôsi unsih fon ubile.
Altsächsisches Vaterunser aus dem Heliand, um 840
Fadar is ûsa firiho barno, the is an them hôhon himila rîkea. Geuuîhid si thîn namo uuordo gehuuilico. Cuma thîn craftag rîki. Uuerda thîn uuilleo obar thesa uuerold alla, sô sama an erdo sô thâr uppa ist an them hôhon himilrîkea. Gef ûs dago gehuuilikes râd, drohtin the gôdo, thîna hêlaga helpa, endi âlât ûs, hebenes uuard, managoro mênsculdio, al sô uuê ôdrum mannum doan. Ne lât ûs farlêdean lêtha uuihti so ford an iro uuilleon so uuî uuirdige sind, ac help ûs uuidar allun ubilon dâdiun.
Altenglisches Vater unser, Sächsischer Dialekt, 9.Jh.
Fæder ûre thû eart on heofonum, sî thîn nama gehâlgôd. Tôbecume thîn rîce. Geweorthe thîn willa on eorthan swâ swâ on heofonum. Ûrne gedæghwâmlîcan hlâf syle ûs tô dæg. And forgyf ûs ûre gyltas, swâ swâ wê forgyfath ûrum gyltendum. And ne gelæd thû ûs on costnunge, ac âlys ûs of yfele.
Das Vater unser, bairisch, 9.Jh.
Fater unsêr, der ist in himilom, kæuuîhit uuerde dîn namo, piqueme rîhi dîn, uuesse uuillo dîn, sama ist in himile, enti in erdu. pilîpi unsaraz kip uns emizîcaz, enti vlâz uns unsero sculdi, sama sô uuir flâzzemês unserêm scolom, enti ni verleiti unsih in die chorunga, ûzzan ærlôsi unsih fona allêm suntôm.
Paternoster aus dem Weißenburger Katechismus, rheinfränkisch, 9.Jh.
Fater unsêr, thu in himilom bist, giuuîhit sî namo thîn. quaeme rîchi thîn. uuerdhe uuilleo thîn, sama sô in himile endi in erthu. Broot unseraz emezzîgaz gib uns hiutu. endi farlâz uns sculdhi unsero, sama sô uuir farlâzzêm scolôm unserêm. endi ni gileidi unsih in costunga. auh arlôsi unsih fona ubile.
Das Vater unser Notkers von St. Gallen, alemannisch, um 1000
Fater unser dû in himile bist, dîn namo uuerde geheiligôt. Dîn rîche chome, dîn uuillo gescehe in erdo fone menniscon, alsô in himile fone angelis. Unser tagelîcha brôt kib uns hiuto, unde unsere sculde belâz uns, alsô ouh uuir belâzen unseren sculdîgen, unde in chorunga ne leitest dû unsih, nube lôse unsih fone ubele.
Die früheste Bibelübersetzung - die Wulfila-Bibel - in eine germanische Sprache, ins Gotische, entstand um 369.
Der Codex Argenteus (Argenteus = aus Silber) ist die Abschrift dieser gotischen Wulfila-Bibel des Arianer-Bischofs Wulfila (* um 311 – + 383) von um 369. Der ursprünglich mindestens 336 Blätter umfassende Codex der vier Evangelien, ist mit silber- und goldfarbener Tinte auf purpurfarbenes Pergament geschrieben. Darauf bezieht sich der Name „Silbercodex“.
Der Codex wurde wahrscheinlich um 500 in Norditalien geschrieben, vermutlich für den arianischen Goten-König Theoderich den Großen (474 - 526) und zählt zu den ältesten schriftlichen Zeugnissen einer germanischen Sprache.
Er ist zuerst im Kloster Werden in Westfalen im Jahre 1553 nachweisbar, er bestand damals noch aus 330 Seiten. Kloster Werden wurde um 799 vom ehemaligen Friesenmissionar Liudger (* etwa 742; † 809) gegründet. Den Codex könnte das Kloster Werden von den Karolingern erhalten haben. Ludwig der Jüngere (876-882) stellte unter anderem eine Urkunde für das Kloster aus. Und bekanntlich nannte sich Karl der Große (* 747 - + 814) ab 774 auch König der Langobarden. Mit den Karolingern könnte der Codex aus Norditalien über die Alpen nach Werden gelangt sein.
Das Kloster Werden trat den Codex wahrscheinlich als Abgeltung einer Steuerschuld an Rudolf II., den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1576 – 1612), ab. Er verwahrte den Codex dann auf der Prager Burg auf.
Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) fiel der Codex bei der Plünderung Prags 1648 dem schwedischen General Christoffer von Königsmarck als Beute in die Hände.
Danach gelangte er nach Holland.
Später gelangte der Codex in den Besitz des schwedischen Reichskanzlers Magnus Gabriel de la Gardie, der zugleich Kanzler der Universität Uppsala war. Dieser schenkte der dortigen Universitätsbibliothek 1669 die inzwischen noch verbliebenen 187 Blätter, versehen mit einem neu angefertigten Silbereinband.
Der Codex ist seit dieser Zeit in der Universitätsbibliothek Carolina Rediviva in Uppsala/Schweden aufbewahrt.
Ein weiteres Blatt des Codex wurde im Oktober 1970 in der Afrakapelle im Dom zu Speyer in einem aus Aschaffenburg stammenden Reliquienschrein entdeckt. Das Speyerer Blatt, als Faksimile nun in der Domschatzkammer im Historischen Museum der Pfalz in Speyer zu sehen, ist das letzte Blatt des Codex Argenteus und enthält das Ende des Markus-Evangeliums mit dem Hinweis auf die Erscheinung des auferstandenen Jesus und dessen Himmelfahrt. Das äußerst empfindliche, tiefrot gefärbte Original wird aus konservatorischen Gründen unter Verschluss gehalten und nur selten gezeigt.
|